Der aufmerksame Gartenfreund weiß es längst, Schneeglöckchen sind die Trendgewächse des 21. Jahrhunderts. Das Schneeglöckchen war dann auch der Hauptdarsteller des ersten Saxdorfer Frühblühertages. Zahlreiche Galanthophile waren in den Pfarrgarten Saxdorf gereist, um dort Schneeglöckchen in großer Zahl und vielerlei Arten und Sorten zu bewundern. Und kein geringerer als der führende deutsche Schneeglöckchensammler Hagen Engelmann brachte dem geneigten Publikum bei zwei charmanten Vorträgen und unterhaltsamen Gartenführungen sowohl grundlegendes als auch sehr fortgeschrittenes Galanthus-Wissen nahe. Und ich mittendrin.
Der weniger gebildete Leser wird sich nun fragen Gala was? Galanthus ist der botanische Name des Schneeglöckchens und Galanthophile sind seine Liebhaber. Das ist also alles ganz harmlos, solange es nicht zur Galanthomanie wird. Es hat meines Wissens auch keinen sexuellen Aspekt oder dieser ist vor mir verborgen worden. Es sei allerdings dennoch gewarnt, fortgeschrittene Galanthophilie kann teuer werden, denn die edelsten Glöckchen werden für Preise jenseits der 100 € gehandelt. Pro Stück wohlgemerkt. Man kann aber auch schon für weit weniger Geld eine ganz hübsche Auswahl kaufen. Wer sich mal die preisliche Spannbreite ansehen möchte, kann das zum Beispiel ganz gut bei Michael Camphausen tun.
Ich kannte bis dato nur große und kleine und gefüllte und vielleicht noch breitblättrige und hasenohrige Schneeglöckchen. Damit bin ich wahrscheinlich schon weit vorn, aber in der Szene der Galathophilen nur ein armes Würstchen. Denn Hagen Engelmann öffnete uns die Augen, als wir durch den Garten streiften. Klar, die riesengroßen porreeblättrigen Galanthus elwesii kann jeder Depp von den gewöhnlichen und eher zierlichen Galanthus nivalis, wie sie in vielen Gärten wachsen, unterscheiden. Nun ist in Saxdorf natürlich auch schon die schiere Masse an Schneeglöckchen, Märzenbechern, Winterlingen , Primeln, Lenzrosen und Elfenkrokussen beeindruckend. Richtig aufregend wird es aber, wenn man den zarten Geschöpfen unter das Röckchen schaut. Denn dort findet sich eine zumeist grüne Zeichnung, die die zahlreichen Sorten unterscheidet. Hagen zeigt uns Narrengesichter, Grüne Schwerter, Schwefelgeschwafel, Grüne Ostern – alles Sorten, die in Saxdorf als spontane Kreuzung aus G. nivalis und G. elwesii in Jahrzehnten entstanden sind. Natürlich gibt es noch viel viel mehr, massenhaft stehen die grüngefleckten G. viridapice und G. niv. scharlockii, das hasenohrige Schneeglöckchen, im Garten rum. In gut versteckten Ecken des Gartens gibt es auch noch mehr Raritäten, etwa gelb gezeichnete Schneeglöckchen wie die blonde Inge , besonders große wie Big Boy oder wild geformte wie Walrus und noch viel viel mehr. Doch damit nicht genug, nach Hagens Vorträgen kenne ich nun auch den neuesten Hype, nämlich die in zahllosen Farbvarianten aber ganz dezent gelb bis pink schimmernden Glöckchen. Manchmal scheint da aber auch der feste Glaube eine große Rolle zu spielen. Auf jeden Fall kann man sich merken, dass man Galanthophile an feuchten Knien erkennt.
Zur Ablenkung von all dem Gebimmel gab es feinste Klaviermusik von Stephan Hilsberg sowie leckerste Torten, Kuchen und Suppen, produziert und dargeboten von den guten Seelen des Saxdorfer Gartens. Die Hauptattraktion des Festes ist freilich der Garten und es grenzt fast an ein Wunder, dass nach den strengen Kahlfrösten der vergangenen Wochen die Schneeglöckchen dastanden, als wäre nichts gewesen. Nur die Lenzrosen , Primeln und die Elfenkrokusse waren sichtlich vom Frost gezeichnet und weniger üppig als gewohnt. Das wird den meisten Besuchern aber gar nicht aufgefallen sein.
Normalerweise ist der Saxdorfer Garten in den Wintermonaten und im Vorfrühling nicht für Besucher geöffnet. Das hat mit den empfindlichen Rasenwegen zu tun aber auch mit der Tatsache, dass die Saxdorfer wie alle Menschen ein wenig Ruhe brauchen. Und schließlich sind ja bekanntlich nur die Sachen wertvoll, die sich rar machen. Für Besucher öffnet der Garten wieder ab April und bis Mitte Oktober. Wohl dem, der einen privilegierten Zugang zu diesem Kleinod hat.
Peter Bethke, dem Saxdorfer Gartenkünstler, hätte das Treiben in Galerie und Garten bei herrlichem Frühlingswetter ganz sicher gefallen. Vielleicht hätte er ein wenig gegrantelt ob der zertrampelten Wege, aber ganz sicher wäre er auch mächtig stolz auf seine Glöckchen gewesen. Leider ist Peter nicht mehr unter uns und sein Fehlen wird die schönen Tage im Garten noch lange überschatten. Hoffen wir, dass der Garten noch lange erhalten bleibt, ganz im Sinne des Spruchs von Lenné, der auch Peters Leit- und Anspruch war „Nichts gedeiht ohne Pflege; und die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unzweckmäßige Behandlung ihren Wert.“
Klar ist natürlich, dass längst Saxdorfer Schneeglöckchen in Chemnitz wachsen. Und natürlich mussten auch dieses mal wieder einige mit und weitere sind bei Hagen bestellt. Vielleicht hat ja nun auch mich dieser harmlosen Spleen gepackt. Und so wird wohl der Kleingarten mit der vermutlich ohnehin schon höchsten Raritätendichte in Chemnitz weiter vollgepackt werden. Aber herrjeh, es gibt weit weniger nachhaltige Hobbys und wie sagt der Volksmund: „Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen durch den Garten.“ … und erfreuen sich unter anderem an Schneeglöckchen!