Wohl jede Familie hat ihre kulinarischen Geheimnisse, die von Außenstehenden günstigstenfalls mit Skepsis betrachtet werden. Und auch der wohlgesonnene Lebenspartner rümpft die Nase und sagt, hm, ganz lecker, aber das nächste Mal kannst du das machen, wenn ich nicht da bin. Und so geschah es, heute gab es „Schnellzer mit Geschmack“!
Schnellzer mit Geschmack gab es immer schon in unserer Familie, keine Ahnung, wo das herkommt, vermutlich aus dem Vogtland. Früher wurde das wohl in weniger opulenten Varianten gegessen, aber ich bin mit der hier vorgestellten Version groß geworden. Grob gesprochen, könnte man dieses Gericht Stampfkartoffeln nennen. Stampfkartoffeln mit zerlassenem Speck sind eine feine Sache und quasi die Vorstufe von „Schnellzer mit Geschmack“. Genau genommen, handelt es sich bei ordinären Stampfkartoffeln um Schnellzer ohne Geschmack. Um die Schnellzer herum hat sich nun eine gewisse Liturgie an Beilagen entwickelt, die da wären Geschmack (!), Hechtsuppe, Gurkensalat, geröstete Schwarzbrotwürfel und gebratene Bockwurst. Da grad zur Hand ersetzen wir diesmal die Bockwurst durch Spekacky – eine böhmische Speckwurst, sehr fettig, sehr lecker. Eine Innovation, die das Ganze definitiv noch besser macht, denn es schmeckt noch mehr nach Speck. Natürlich steht und fällt das Ganze sowieso mit der Qualität der Zutaten. Aromatischer Speck, gute Kartoffeln, Gärtnergurken und leckere Wurst sind essentiell.
Wir kochen also zunächst Kartoffeln in reichlich Wasser. Dabei muss es sich zwingend um Kartoffeln der neuen Ernte handeln. Sodann würfeln wir den Geschmack, wobei es sich um nichts anderes als Jagdwurst handelt. Zum Gschmack kommt noch reichlich gehackter Dill. Ein wenig Speck wird gewürfelt und ausgelassen. Im Speck braten wir gleich die Spekacky-Hälften mit, die zuvor auf der runden Seite eingeschnitten wurden. Die Spekacky dürfen ruhig ein Weilchen braten, dadurch werden sie immer leckerer, knuspriger und auch ein wenig magerer. Aber keine Angst, das gute Fett geht nicht verloren. Parallel wird gewürfeltes Schwarzbrot in Butter geröstet und ein Gurkensalat gebaut (reiben, Salz, Pfeffer, Essig, Öl).
Nun kommt der Moment, wo der Elefant das Wasser lässt! Wir nehmen die Kartoffeln aus dem Kochwasser und geben sie zu Geschmack und Dill in die Schüssel. Mit einer Gabel werden sie grob zerdrückt. Dazu kommt der ausgelassene Speck inclusive aller Fettigkeit aus den Würsten. Das Ganze grob vermengen und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Aus dem hoffentlich gut gesalzenen Kochwasser der Kartoffeln entsteht nun durch beherztes Pfeffern und kurzes Aufkochen die Hechtsuppe. Diese muss spürbar scharf sein, sonst hieße sie ja nicht Hechtsuppe.
Gegessen wird das Ganze nun wie folgt: Etwas Hechtsuppe kommt in einen tiefen Teller. Dazu ein guter Klecks Schnellzer mit Geschmack und Brotwürfel. Das isst man dann mit dem Löffel, zwischendurch langt man immer mal in den Gurkensalat und beisst von den Spekacky mit Senf ab. Die Vorgänge werden wiederholt bis alles alle ist. Meistens ist es zuviel, aber verdammt lecker.
Das leckere Essen gibt es bei herrlichstem Wetter abends auf der Terasse. Dazu genieße ich ein eiskaltes Störtebecker ohne Alkohol. Der Wind trägt Konzertfetzen der Kelly-Family herüber. Nicht schön, aber irgendwie chillig.
Übrigens, sollte doch etwas übrig bleiben – die Reste noch mal gebraten und wahlweise ein Ei einrühren gibt eine feine Zweitverwendung.
Und wer mehr über die Speckwurst als einem Stück tschechischen Lebensglücks erfahren will, dem sei der Beitrag von Radio Prag ans Herz gelegt.