Letztes Jahr um diese Zeit waren wir schon mal im Vogtland unterwegs, von Grün zu Grün mit einem etwas abrupten Ende. Dieses Jahr haben wir die fehlenden Etappen nachgeholt sowie noch ein paar Bonustouren rangehängt. Ein abruptes Ende gab es dennoch wieder, jedoch anders – dazu später mehr.
Am Tag der Schiene (!) fahren wir dank Baustellen und Schienenersatzverkehr in satten drei Stunden (!) von Chemnitz nach Hundsgrün. Unterwegs treffen wir allerlei nette Leute, was die Anfahrt wiederum kurzweilig macht. Hundsgrün hatten wir letztes Jahr schon, das zählt also nicht als *grün sondern dient nur als Startpunkt. Aus dem Elstertal wandern wir nun also stetig bergan, durch verträumte Orte (Unterwürschnitz, Marieney, Schilbach) und idyllische Täler (Würschnitzbach). Zwischen Marieney, bekannt durch den Vogtland-Poeten Julius Mosen und Schilbach machen wir noch einen kleinen Bogen um Arnoldsgrün (#1) zu ernten, welches wir auf einem hübschen Pfad durchqueren. Wir nehmen den Umweg über die schöne Waldsiedlung Birkenhäuser und von dort zur Saaliger Straße. Nun sehen wir vor uns immer näher die Stadt meiner Vorfahren mit der markanten Silhouette aus Rathaus und Felsen, die wir nach knapp 15 Kilometern erreichen. In Schöneck übernachten wir erneut in der Brauschänke. Hier gibt es schöne Zimmer, lecker-deftiges Essen und freundliche Wirtschaft – gern wieder!
Anderntags besorgen wir uns die Lieblingsbrötchen meiner Kindheit beim Auerswald-Bäck und besteigen den Aussichtsfelsen mit wunderbarem Rundumblick über das Vogtland bis zum Fichtelgebirge. Dann geht es auch schon wieder raus aus Schöneck, hinab ins ruhige Mühlental. Bei Korna öffnet sich das Tal, es geht wieder bergan durch offene Landschaft und bald haben wir schon wieder wunderbare Fernsichten. Wir ernten Kottengrün (#2) und erreichen über Werda die gleichnamige Talsperre und schließlich Poppengrün (#3). Von hier ist es nicht mehr weit nach Grünbach, welches aber aus formalen Gründen nicht als *grün zählt. Wir besteigen den Wendelstein, der Teil einer Felskette ist, der wir bis nach Falkenstein und auch auf dem Rückweg nach Grünbach folgen (insgesamt 23,5 km). In Grünbach nächtigen wir im Bayrischen Hof. Nach einer schnippisch-herzlichen Begrüßung bekommen wir ein Zielbier und es ist sogar noch Zeit für die Sauna. Abends essen wir erneut deftig-lecker und werden freundlich bedient. Ich esse Roulade mit Bambes, den vogtländischen Kartoffelpuffern. Gestern gab es übrigens auch schon welche, aber die hießen nicht so.
Wundersamerweise finden wir in fast jedem Ort unserer Tour noch einen handwerklich arbeitenden Bäcker, der nicht nur leckere Brötchen sondern auch guten Süßkram bereithält. Erhaltet euch das bitte, ihr lieben Vogtländer! Mit frischen Semmeln im Gepäck geht es also weiter, zunächst etwas regnerisch, aber da wir sowieso auf die gigantischen Wasserfälle des Vogtland zu gehen, stört das nicht. Wir bestaunen also bald die Rissfälle, die dank des Regens gut in Form sind. Dann gehen wir an der Bauernschänke, dem Gasthaus, welches die Referenz-Bambes zubereitet, tatsächlich vorbei – aber vormittags um 11 ist es wirklich noch zu früh dafür. Durch die herrlich in Wiesen gelegene Streusiedlung Hammerbrücke geht es nun hinab ins Muldental. Wir folgen der Zwickauer Mulde nun ein Stück durch die wunderbaren Muldenwiesen Richtung Jägersgrün (#4). Von hier ist es nicht weit bis Tannenbergsthal, wo wir erst an einem urigen Waldsee rasten und wenig später bei einem leckeren Bäcker Kaffee trinken. Nun geht es straff bergan auf den Kamm des Vogtland-Höhenzuges, den wir auf Höhe des Schneckenstein erreichen. Durch viel Wald geht es nun zum Aschberg, wo wir wieder einmal in der „Schönen Aussicht“ übernachten (insgesamt 23,5 km). Die Aussicht ist noch immer grandios, das Essen ebenfalls vogtländisch lecker-deftig. Leider ist die tschechische Bedienung primär auf Feierabend bedacht, man soll also zeitig essen kommen und wird gegen 19 Uhr aus der Gaststube gedrängt, was wir nicht ganz so schön finden. Auch hier gibt es leckere Bambes mit Gulasch und Schwammespalken, fast wie früher 😉 Und immerhin gibt es reichlich Bier aufs Zimmer …
Von hier machen wir eine Rundtour, die in weiten Teilen dem Klingenthaler Höhensteig folgt. Und der ist einfach grandios! Über Berg und Tal führt der Weg rund um den Ort, nimmt die vielen Streusiedlungen mit, die in weiten Wiesen liegen und eröffnet immer wieder tolle Blicke auf den Aschberg und die umliegenden Hügel. Eine herrliche Runde! Zwischendurch essen wir lecker Kuchen im Zentrum von Klingenthal, welches freilich etwas trostlos ist. Aber dann geht es wieder auf die schönen Hänge, wir laufen an der Grenze mit Blicken in eine nicht minder schöne böhmische Landschaft und sind schwuppdiwupp nach insgesamt 23 Kilometern wieder in der Schönen Aussicht, wo eine andere tschechische Bedienung ein ähnlich straffes Regime fährt. Nunja, Bier und Essen sind wieder lecker. Diesmal gibt es keine Bambes.
Am nächsten Tag hat sich das Wetter gegen uns verschworen. Es dauernieselregnet mal mehr mal weniger. Wir laufen also ganz ohne Sicht über den Aschberg und latschen auf den Autobahnen des Sachsenforst durch die schier endlosen Wälder Richtung Sachsengrund. Hier lichtet sich der Wald, es wird wieder hübsch. Wir passieren ein Gasthaus (Pension Weidmannsheil), welches wir zur Wiedervorlage vormerken. In Sachsengrund kann man das Ende der Welt mit den Händen greifen, so abgelegen und ruhig ist es hier. Wir folgen nun dem Lauf der Pyra, die sich schön durch das Tal schlängelt. Vor Morgenröthe zweigt ein schöner Waldweg ab, der einem Mühlgraben bis zum Ort folgt. Weiter geht es Im Tal bis in den Ortsteil Rautenkranz, wo wir im Bistro Weltraumbahnhof schön einkehren und uns trocknen. Hier stoßen wir auch wieder auf das Muldental, welches wir aber verlassen um nun durch das idyllisch Zinsbachtal weiterzuwandern. Der erste Abschnitt ist besonders schön, Bach, weite Wiesen und ein schmaler Pfad am Waldrand – einfach herrlich. Dem Zinsbachtal folgen wir lange, bis wir einen Schwenker nach Bad Reiboldsgrün (#5) machen, von dem leider nicht mehr all zu viel übrig ist. Gleich nebenan ernten wir noch Vogelsgrün (#6) und besuchen noch den Stausee Carolagrün (zählt nicht). Nun ist es nicht mehr weit bis Schönheide, wo wir nach 24,5 KiIometern wieder mal im Forstmeister übernachten. Super freundlicher Service und sehr gutes Essen bescheren uns einen schönen Abend. Wir sind nun knapp im Erzgebirge, weshalb die Bambes nun Fratzen heißen und mit diesem Namen eine Lage meines mächtigen Erzgebürgers darstellen – mit Schieböcker, dem Kochkäse des Westerzgebirges eine wunderbare Sache!
Anderntags genießen wir beim Frühstück (zwei Sorten Leberwurst!) einen großartigen Blick über die Schönheide und die umliegende Landschaft, bis hin zum Auersberg. Die Sonne lacht wieder, grandios! Heute ist Erntetag, drei mal Grün steht auf dem Programm! Zur Einstimmung kaufen wir im Hotelladen schon mal Bürsten aus Stützengrün. Wenig später finden wir im Ort noch einen kleinen Laden, der lecker hausgeräucherte Schinken und Wurst verkauft, daneben ein sehr guter Bäcker – der Tag wird gut! Auf Umwegen erreichen wir nun Stützengrün (#7) und bewundern die mächtige Bürstenfabrik. Über den Kuhberg erreichen wir Wernesgrün (#8), von wir wir auf schönen Wegen Schnarrtanne erreichen. Vogelsgrün kürzen wir ab, denn das hatten wir ja gestern schon. Auf dem Weg nach Auerbach liegt nun noch Rützengrün (#9). Kurz vor dem Ort passieren wir noch das wunderschöne Tal des Eulenbachs, dem wir ein Stück folgen, bis wir nach Auerbach abbiegen, das wir am Stadtpark erreichen (knapp 23 km). Etwas unwillig wird uns beim Bäcker an der Fußgängerzone um 15:50 Uhr noch Kaffee und Kuchen verkauft – man will schließlich 16:30 Uhr schließen! Der Kuchen ist lecker und nach uns kommt noch mehr Kundschaft – um Gottes Willen! In Auerbach shoppen wir noch Schafe nebst Hirten im Holzkunstladen, wo wir wiederum äußerst freundlich bedient werden. Gleiches gilt für unsere Pension „Kerkermeister“ – super Zimmer, gutes Frühstück (Leberwurst!) und alle unglaublich freundlich. Abends essen wir im Brauereigasthof Schloßturm mit unserer vogtländischen Verwandschaft, erneut sehr nett und lecker.
Nun steht schon unsere Schlußetappe an., von Auerbach nach Reichenbach. Zunächst dachten wir, es wäre schön, im Tal der Göltzsch zu laufen, tatsächlich ist dieses aber zwischen Auerbach und Rodewisch eher langweilig, vorbei an großen Parkplätzen und immer im Hörbereich lärmender Straßen. In Rodewisch wird es kurz nett, Schloßinsel und angrenzender Park sind ganz hübsch. Danach aber wird es unschön, eine kaputte, fragmentierte Stadt und ein völlig überdimensioniertes Straßengewirr, da wendet sich der Wanderer mit Grausen. Übrigens sieht man hier sehr schön, dass großzügige Umgehungsstraßen in den Orten eher keine Beruhigung bringen, sondern insgesamt eher mehr Verkehr erzeugen. Wir ändern den Plan und gehen nun etwas abseits, da ist es zumindest ruhiger und grüner. Lengenfeld ist dann wieder vergleichsweise hübsch, viel erhaltene Bausubstanz und schön saniert – nur leider wie in vielen dieser Kleinstädte kaum Leben. Wir queren die Stadt auf einem lustigen Zickzackweg mit schönen Aussichten auf die Altstadt und später folgen wir einem kleinen Sträßchen mit Blicken übers Land. Erst bei Weißensand erreichen wir wieder das Göltzschtal, welches hier wieder ganz angenehm ist. Bei Mühlwand verlassen wir das Tal und halten uns Richtung Reichenbach (22 km).
Unser Plan war an dieser Stelle, die Wanderung in der Schönen Aussicht nahe Reichenbach bei gutem Essen in entspannter Atmosphäre ausklingen zu lassen und dort noch mal zu übernachten. Wir waren hier schon mehrmals und fanden Essen im Restaurant, Übernachtung und Frühstück bis dato sehr angenehm. Wir hatten also ein Zimmer gebucht und einen Tisch reserviert. Allerdings sehen wir schon bei Ankunft, dass eine Hochzeitsgesellschaft den kompletten Gastraum in Beschlag hat, was uns schon skeptisch machte. Uns wurde zum Abendessen ein „ruhiger“ Tisch etwas abseits offeriert. Nun gut, wird schon gehen, dachten wir. Als wir dann zum Essen kamen, stand direkt neben besagtem Tisch der DJ und wir sollten uns den runden Tisch mit weiteren Hausgästen und den Kindern der Hochzeitsgesellschaft teilen. Klar, gehört hätte man von den Kindern und den anderen Gästen bei absehbar dröhnend lauter Musik eh nichts. Dieses Setting war aber nun wirklich nicht das was wir uns unter entspannt Essen vorgestellt hatten. Da an ein schönes Abendessen im Restaurant nicht zu denken war, haben wir das Ganze kurz entschlossen abgebrochen, das Zimmer geräumt und sind zum Bahnhof gelaufen. Seitens des Personals der „Schönen Aussicht“ gab es leider keinerlei Verständnis oder gar eine Entschuldigung für die eigene Fehlleistung, keinen Tisch im Restaurant zu akzeptablen Bedingungen verfügbar zu haben. Mehr noch, wir wurden später am Telefon noch übel beschimpft. Wir empfehlen also, diese Einrichtung zu meiden, wenn man nicht auf Gästebeschimpfung steht. Angesichts ähnlicher Berichte online, kann man wohl folgern, dass man bei dem gut laufenden Zimmergeschäft die Restaurantgäste nicht mehr braucht – oder Gier frisst Service. Hoffen wir, dass diese Rechnung nicht aufgeht und bald anständige Gastronomen diese Wirtschaft übernehmen.
Tja, und unsere eigentlich schöne Wanderung endet nun erneut sehr abrupt und dieses mal mit einem unschönen Eindruck von der „vogtländischen Gastfreundschaft“. Bleibt zu hoffen, dass wir dieses Bild wieder repariert bekommen. Reichenbach und insbesondere die „Schöne Aussicht“ werden wir jedenfalls meiden. Spät kommen wir in Chemnitz an und machen es uns mit Lieferpizza und einem Rotwein noch halbwegs gemütlich und erinnern uns etwas melancholisch an viele schöne und einen verkackten Tag im Vogtland. Immerhin sind wir schön gewandert, haben oft Gastfreundschaft genossen und haben weitere neun Orte mit *grün besucht.