Kulturschock in Weimar

Im Grunde ist ja Quatsch, in diesem Jahr aus der Kulturhauptstadt Chemnitz in die Kulturstadt Weimar zu fahren. Allerdings hatte sich die Planung mit Freunden so ergeben und folglich hatten wir gar keine Wahl. Freilich verbietet sich der Vergleich sowieso, zu verschieden die Kulturbegriffe für die beide Städte stehen. Den Nimbus von Weimar sieht man den stolz ihren Obernstudienrat vor sich her tragenden Kulturtouristen schon von weitem an. In Chemnitz hingegen, sieht man seit Neuestem überhaupt Touristen, die vielleicht auch eine vorgefasste Haltung zur Stadt mitbringen, aber dann doch mit überraschend vielfältigem Neuem, frischem, frechem, aber auch Altem verschiedenster Epochen konfrontiert sind. Es fehlen in Chemnitz zudem Reiseführer, die den Besuchern aufzeigen, dass sie die Innenstadt nicht einfach auf bröckelnden Gehwegplatten passieren, sondern Teil eines Gesamtkunstwerks „Gehwegplatten der Ostmoderne in verschiedensten Zerfallstadien“ sind. Doch zurück nach Weimar.

Ebenda verbringen wir also ein Wochenende mit Freunden. Ich war lange nicht da, habe kaum Erinnerungen und bin äußerst positiv überrascht angesichts der hübschen quicklebendigen Stadt. Unzählige Plätze und Gassen laden zum Bummeln und Verweilen ein und es dauert ein Stück bis der Besucher begreift, dass die Stadt viel kleiner ist, als sie sich macht und der neue hübsche Platz eigentlich der von grad eben ist, nur von anderer Seite begangen. Weimar ist viel zu viel für ein Wochenende, wir fokussieren deshalb auf Bauhaus und lassen olle Joethe und Schillern links liegen. Am Anreisenachmittag des Freitag erkunden wir zunächst den Park an der Ilm und laufen hinaus bis zum Schloß und Park Belvedere – ein schöner und vielfältiger Spaziergang, dessen Rückweg wir mit dem Bus bisschen abkürzen können. Wir essen abends ungeplant lecker Burger, da uns das ursprünglich reservierte Restaurant krankheitsbedingt absagte. Da die Burgerkneipe nicht ganz so zum Sitzenbleiben einlädt, versacken wir an der Hotelbar im Schillerhof, welcher uns übrigens eine sehr gute Unterkunft bietet.

Am Samstag folgt nun Bauhaus total, beginnend mit dem Bauhausmuseum. Dieses Museum ist nicht nur architektonisch spannend, sondern beinhaltet auch eine sehr interessante Ausstellung, die mir bis dato wenig bekannte Facetten des frühen Bauhaus aufzeigt. Einige multimediale Einschübe ergänzen den Rundgang perfekt, etwa das Video zum Triadischen Ballett von Oskar Schlemmer. So angefixt ziehen wir weiter zu den Bauhaus-Orten in der Stadt – Haus Hohe Pappeln, Haus am Horn und natürlich den historischen Räumen der Universität, die ohne Zweifel ikonisch sind. Würden nur heute mit diesem Anspruch öffentliche Gebäude gebaut! Danach bummeln wir noch ein wenig durch die Stadt und faulenzen noch ein wenig im Hotel, bis es Zeit ist für das Dinner. Zum Abendessen haben wir das Anno 1900 ausgesucht, was sich als hervorragende Wahl erwies. Sehr leckeres Essen gepaart mit herzlichem Service lässt uns lange hier verweilen.

Am Sonntag ist schon wieder Abreisetag doch ein wenig Zeit verbleibt noch bis zum Abenteuer Regionalzüge nach Chemnitz. Auf vielfachen Wunsch absolvieren wir noch die Anna-Amalia-Bibliothek, nett anzusehen aber deutlich zu voll. Im Anschluss bummeln wir noch ein wenig durch die Altstadt, entdecken noch ein paar zauberhafte Ecken und verweilen schließlich im wunderschönen Garten des Hauses Kirms-Krackow, wo zudem ein nettes Café beheimatet ist, in dem wir den Weimar-Besuch ausklingen lassen.

Der erste Teil der Heimreise geht ganz gut, von Weimar bis Leipzig kommen wir planmäßig. Nur ab Leipzig schlägt wieder der berüchtigte RE6 zu – verspätet und wegen eines gesperrten Wagens überfüllt, so macht Reisen keinen Spaß. Keine Reise ohne Mitbringsel – man kann Thüringen natürlich nicht bereisen, ohne Wurst zu kaufen, also kommen noch ein Glas Leberwurst, Salami und eine Stracke mit nach Chemnitz. Sowie ein güldenes Anti-Nazi-Plakat der Bauhaus-Uni, welches noch ein Plätzchen finden muss. Achja, Naziaufmarsch war auch in Weimar, aber wir konnten das ganz gut umgehen und sahen nur noch Reste des aus Sachsens ja bestens bekanntem dummdeutschen Volkes. Auch das ist wohl ein Stück Kultur im 21. Jahrhundert …