Die Wege des Herrn sind unergründlich und so führte mich das internationale Reisebüro TG (Insider werden die Bedeutung der Kürzel erraten können) mal eben in die Megacity Shanghai.
Dienstlich, wohlgemerkt. Folglich musste ich auch einen beträchtlichen Teil der Reisezeit der deutsch-chinesischen Wissenschaftspartnerschaft widmen, aber es blieb dennoch Zeit, einen ersten flüchtigen Eindruck dieser phantastischen Stadt zu erhalten.
Zunächst mal erschlägt einen der Moloch, aus dem Fenster des Busses starrt man gebannt auf die nicht enden wollende Aneinanderreihung von Hochhäusern und Hochstraßen. Praktisch keine alte Bausubstanz, kaum noch frei Flächen, alles dichtest bebaut. Nicht gerade schön.
Dazwischen teilweise Straßenleben aus einer anderen Zeit. Menschengezogene Karren mit allerlei Waren, mobile Küchen, Stände aller Art auf dem Fußweg ausgebreitet, Verschläge, die sich als hochspezialisierte Fachgeschäfte oder Werkstätten entpuppen zwischen modernsten Büro- und Wohnbauten. Eine unermeßliche Zahl von Hilfsarbeitern, Putzkräften, Gärtnern, Kofferträgern – Arbeit ist halt billig. Man fragt sich, wo diese Menschen wohnen, sicher nicht in den Hochhäusern, aber einfache Behausungen sieht man kaum.
An vielen Stellen glaubt man nicht, dass man in China ist. Die Infrastruktur kann es sicher locker mit westlichen Standards aufnehmen. Themen wie Nachhaltigkeit und Ökologie beginnen die Stadtentwicklung zu beeinflussen. Auch wenn der Himmel noch immer meist trüb vom Dunst des Verkehrs und der Industrie ist, sagen erfahrene Reisende, dass sich die Luft schon deutlich verbessert hat und extrem viel Grün neu entstanden ist. Im Zuge der Expo 2010 wurde der Stadt mit „Better city, better life“ ein neues Image verpasst. Eine hochmoderne Metro erschließt dem Besucher die Stadt.
Eine abendliche Flußfahrt auf dem Huangpu-Fluß bietet phantastische Blicke auf die Stadt, die sich mit Beginn der Dämmerung in ein strahlendes buntes Lichtermeer verwandelt. Die alte Stadt aus der Kolonialzeit mit ihren prächtigen Fassaden am Bund, der Uferpromenade Shanghais vermittelt als so ziemlich einziger historischer Bereich den Glanz früherer Zeiten während auf der gegenüberliegenden Seite das neue Pudong mit seinem Fernsehturm und den Wolkenkratzern ein ganz anderes, aber nicht weniger faszinierendesBild vermittelt. Prächtig illuminierte Fassaden finden sich überall in der Stadt, Hochstraßen leuchten und viel Energie wird darauf verwendet, den Gast zu beeindrucken.
Schließlich ist noch Zeit, die Aussichtsetage auf dem World-Financial-Center auf knapp 500 m Höhe zu erklimmen, die einem einen faszinierenden Blick nach unten eröffnet und den chinesischen Expo-Pavillon zu besuchen. Letzterer vermittelt neben einem tieferen Verständnis des Begriffes der Überbevölkerung (2 Stunden Schlange stehen inmitten tausender Chinesen) vor allem einen Eindruck vom Stolz des Landes auf die eigene Entwicklung vom Agrarstaat zur Weltmacht in nur wenigen Jahren. Wenn man das gesehen hat, versteht man vielleicht auch am hesten, warum dieses Land so wenig Interesse an seiner älteren Geschichte hat, die jüngste ist spekatakulär genug. Ob eine solche Entwicklung in einer Demokratie auch denkbar ist? Die spannendste Frage freilich ist, wie das künftig weitergehen wird. Wie will man die immer deutlicher zutage tretenden extremen Gegensätze zwischen ärmsten Bauern und Wanderarbeitern und einer wachsenden Mittelschicht beherrschen? Wollen die Chinesen tatsächlich in Hochhäusern inmitten von Hochstraßen leben? Gibt es überhaupt Alternativen dazu?
Auf jeden Fall sollte man dieses Land ruhig wieder mal besuchen, um die weitere Entwicklung zu verfolgen.
Natürlich bleibt sich dieses Blog treu und verliert noch ein paar Worte zur chinesischen Küche. Ich habe in Shanghai viele interessante kulinarische Erfahrungen gemacht, die mich in meiner Vermutung bestärkt haben, dass die hierzulande angebotene chinesische Küche mit ihrem Einheitsgeschmack nicht das ist, was die Chinesen essen. Extreme Produkte waren bis auf ein paar Frösche in einem Szechuan-Restaurant eher selten, dafür überraschten völlig ungewohnte Aromen und Zubereitungsweisen bekannter Zuaten, wie etwa Huhn oder Schwein. Überraschend, dass Reis kaum serviert wird, bzw. wenn dann nur auf ausdrückliche Nachfrage. Es gilt offenbar als Ausdruck des Wohlstandes, dass man keinen Reis benötigt, um satt zu werden. Klar auch, dass das wohl für die Mehrzahl der Chinesen unerreichbarer Luxus ist. Serviert wird uns viel Fleisch und Fisch, oft in Verbindung mit Gemüse, rein vegetarische Gerichte sind selten. Wenn man mit vielen Leuten am Tisch sitzt, wird eine große Vielfalt an Speisen serviert, von denen sich jeder nach Belieben bedienen kann – so etwas ist natürlich ganz nach meinem Geschmack. Nicht alles war lecker, aber das Meiste schon – auch das lohnt der intensiveren Beschäftigung auf künftigen Reisen.
Bilder folgen.